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Bertholt Brecht (1898-1956)

Mackie Messer

 

Die Moritat von Mackie Messer
Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht.

Und es sind des Haifischs Flossen
Rot, wenn dieser Blut vergiesst
Mackie Messer trägt'nen Handschuh
Drauf man keine Untat liest.

An der Themse grünem Wasser
Fallen plötzlich Leute um
Es ist weder Pest noch Cholera
Doch es heisst: Mackie geht um.

An'nem schönen blauen Sonntag
Liegt ein toter Mann am Strand
Und ein Mensch geht um die Ecke
Den man Mackie Messer nennt.

Und Schmul Meier bleibt verschwunden
Und so mancher reiche Mann
Und sein Geld hat Mackie Messer
Dem man nichts beweisen kann.

Jenny Towler ward gefunden
Mit'nem Messer in der Brust
Und am Kai geht Mackie Messer
Der von allem nichts gewusst.

Wo ist Alfons gleich, der Fuhrherr?
Kommt das je ans Sonnenlicht?
Wer es immer wissen könnte
Mackie Messer weiss es nicht.

Und das grosse Feuer in Soho
Sieben Kinder und ein Greis
In der Menge Mackie Messer, den
Man nicht fragt, und der nichts weiss.

Und die minderjähr'ge Witwe
Deren Namen jeder weiss
Wachte auf und war geschändet
Mackie welches war dein Preis?

 

 

 

 

Den Nachgeborenen

Ich gestehe es:
Ich habe keine Hoffnung.
Die Blinden reden von einem Ausweg.
Ich sehe.
Wenn die Irrtümer verbraucht sind
Sitzt als letzter Gesellschafter
Uns das Nichts gegenüber

 

 

 

 

Der Pflaumenbaum

Im Hofe steht ein Pflaumenbaum,
Der ist so klein, man glaubt es kaum.
Er hat ein Gitter drum,
So tritt ihn keiner um.
Der Kleine kann nicht größer wer'n,
Ja - größer wer'n, das möcht' er gern!
's ist keine Red davon:
Er hat zu wenig Sonn'.

Dem Pflaumenbaum, man glaubt ihm kaum,
Weil er nie eine Pflaume hat.
Doch er ist ein Pflaumenbaum:
Man kennt es an dem Blatt

 

 

 

Vergnügungen

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene alte Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein

 

 

 

 

Über das Lehren ohne Schüler

Lehren ohne Schüler
Schreiben ohne Ruhm
Ist schwer.

 

Es ist schön, am Morgen wegzugehen
Mit den frisch beschriebenen Blättern
Zu dem wartenden Drucker, über den summenden Markt
Wo sie Fleisch verkaufen und Handwerkszeug:
Du verkaufst Sätze.

 

Der Fahrer ist schnell gefahren
Er hat nicht gefrühstückt
Jede Kurve war ein Risiko
Er tritt eilig in die Tür:
Der den er abholen wollte
Ist schon aufgebrochen.

 

Dort spricht der, dem niemand zuhört:
Er spricht laut
Er wiederholt sich
Er sagt Falsches
Er wird nicht verbessert.

 

 

 

Lob der Vergeßlichkeit

 

 

 

Gut ist die Vergeßlichkeit!
Wie sollte sonst
Der Sohn von der Mutter gehen, die ihn gesäugt hat?
Die ihm die Kraft seiner Lieder verlieh und
Die ihn zurückhält, sie zu erproben.

 

Oder wie sollte der Schüler den Lehrer verlassen
Der ihm Wissen verlieh?
Wenn das Wissen verliehen ist
Muß der Schüler sich auf den Weg machen.

 

In das alte Haus
Ziehen die neuen Bewohner ein.
Wenn die es gebaut haben noch da wären
Wäre das Haus zu klein.

 

Der Ofen heizt. Den Hafner
Kennt man nicht mehr. Der Pflüger
Erkennt den Laib Brot nicht.

 

Wie erhöbe sich ohne das Vergessen der
Spurenverwischenden Nacht der Mensch am Morgen?
Wie sollte der sechsmal zu Boden geschlagene
Zum siebenten Mal aufstehen
Umzupflügen den steinigen Boden, anzufliegen
Den gefährlichen Himmel?
Die Schwäche des Gedächtnisses verleiht
Den Menschen Stärke.

 

 

 

Sonett über einen durchschnittlichen Beischlaf

 

Bis ich dich endlich übern Stuhle habe
Hoff ich, du seist endlich die ausgesiebte
Und etwas nässer als die, die ich liebte
(Es pflanzt die Hoffnung, ach, uns noch am Grabe!)

 

Ich seh, es geht. Ich hoffe: nicht zu schnell
Von nun an denk ich immer nur an Ihn
Gut: weniger Lieb und weniger Vaselin
Dafür bricht der jetzt Schweiß aus ihrem Fell

 

Ach du verglichst mich schon mit einem Pferde
Vor fünf Minuten, wie ich darauf scheiße!
Dieweil ich sinne, wie ich fertig werde
Nennst du mich Emil, der ich nicht so heiße

 

Dies alles ist in höherm Sinne schnuppe
Im Schweiß des Antlitz’ koch ich meine Suppe

 

 

 

Saune und Beischlaf

 

Am besten fickt man erst und badet dann.

Du wartest, bis sie sich zum Eimer bückt

Besiehst den nackten Hintern, leicht entzückt

Und langst sie, durch die Schenkel, spielend an.

 

Du hälst sie in der Stellung, jedoch später

Sei’s ihr erlaubt, sich auf den Schwanz zu setzen

Wünscht sie, die Fotze aufwärts sich zu netzen.

Dann freilich, nach der Sitte unsrer Väter

Dient sie beim Bad. Sie macht die Ziegel zischen

Im schnellen Guß (das Wasser hat zu kochen)

Und peitscht dicht rot mit zarten Birkenreisern

Und so, allmählich, in dem immer heißern

Balsamischen Dampf läßt du dich ganz erfrischen

Und schwitzt dir das Geficke aus den Knochen.

 

 

 

Dunkel im Weidengrund

Dunkel im Weidengrund

Orgelt der Wind

Und weil die Mutter ruft

Macht sie’s geschwind...

 

Wolken am Himmel und

Orgelnder Wind:

Weil es schon dunkel ist

Tut sie es blind.

 

Weil es im Gras naß und

Kalt ist darin:

An einem Weidenstrunk

Gibt sie sich hin.

 

Wenn rot der Neumond hängt

Im Weidenwind:

Schwimmt sie im Fluß schon ab:

Jungfrau und Kind.

 

 

 

Liebe Marie, Seelenbraut

Liebe Marie, Seelenbraut:

Du bist viel zu eng gebaut.

Eine solche Jungfernschaft

Braucht mir zu viel Manneskraft.

 

Ich vergieße meinen Samen

Immerdar schon vor der Zeit:

Wohl nach einer Ewigkeit

Aber lange vor dem Amen.

 

Liebe Marie, Seelenbraut:

Deine dicke Jungfernhaut

Bringt mich noch zur Raserei.

Warum bist du auch so trei?

 

Warum soll ich, sozusagen:

Nur weil du lang sitzenbliebst

Grade ich, den du doch liebst

Mich statt einem andern plagen?!

 

 

 

Liebesunterricht

Aber, Mädchen, ich empfehle
Etwas Lockerung im Gekreisch:
Fleischlich lieb ich mir die Seele
Und beseelt lieb ich das Fleisch.

Keuschheit kann nicht Wollust mindern
Hungrig wär ich gerne satt.
Mag¿s, wenn Tugend einen Hintern
Und ein Hintern Tugend hat.

Seit der Gott den Schwan geritten
Wurd es manchem Mädchen bang
Hat sie es auch gern gelitten:
Er bestand auf Schwanensang.

 

 

 

 

Der Fisch Fasch

Es war einmal ein Fisch mit Namen Fasch
Der hatte einen weißen Asch
Er hatte keine Hände zum Arbeiten nicht
Und er hatte keine Augen zum Sehen im Gesicht
In seinem Kopf war gar nichts drin
Und er hatte auch für nichts einen Sinn
Er kannte nicht das Einmaleins
Und von allen Ländern kannte er keins
Er war nur der Fisch Fasch
Und er hatte eben seinen weißen Asch.


Und wenn die Menschen ein Haus bauten
Und wenn die Menschen Holz hauten
Und wenn die Menschen einen dicken Berg durchlochten
Und wenn die Menschen Suppen kochten
Dann sah der Fisch Fasch ihnen stumpfsinnig zu
Und wenn sie ihn fragten: und was machst du?
Dann sagte er: ich bin doch der Fisch Fasch
Und dies hier ist mein weißer Asch.


Gingen sie aber am Abend in die Häuser hinein
Dann ging der Fisch Fasch hinter ihnen drein
Und wenn sie sich setzten zum Ofen, nanu
Dann setzte sich der Fisch Fasch auch dazu
Und wenn die Suppe kam auf den Tisch
Dann saß da gleich auch mit einem großen Löffel ein Fisch
und rief ganz laut, jetzt esset rasch
Dann zeige ich euch meinen weißen Asch


Da lachten die Leute und ließen ihn mitessen
Und hätten wohl auch seine Faulheit vergessen
Wenn nicht eine Hungersnot gekommen wäre
Und zwar keine leichte, sondern eine schwere
Und jetzt mußte jeder etwas bringen für die Hungersnot
Der eine brachte ein Stück Käse, der andere eine Wurst, der dritte ein Brot
Nur der Fisch Fasch brachte nichts als den Löffel mit
Das sahen einige Leute, sie waren grad zu dritt
Und da fragten sie mal den Fisch Fasch, na und du
Was gibst uns jetzt eigentlich du dazu?
Und da sagte der Fisch Fasch
Ja, wenn ich vielleicht meinen weißen Asch ...


Aber da wurden die Leute zum erstenmal sehr bitter zu dem Fisch Fasch
Und redeten mit ihm plötzlich ganz barsch
Und warfen ihn mal ganz rasch durch die Eichentür und verhauten ihm draußen
seinen weißen Asch.

 

 

 

 

Neigung zum Nichts

 

Betrübter Geist, du hast dich gern geschlagen
Die Hoffnung, deren Sporen Feuer wecken,
Besteigt dich nicht mehr. Darfst dich ruhig strecken
Du altes Naß, wo Hindernisse ragen.

 

Schlaf wie ein Tier, mein Herz, hör auf zu fragen.
Bezwungener Geist! Nichts konnte dich erschrecken,
Magst keine Liebe, keinen Streit mehr wagen!
Leb wohl, Trompetenklang und Flötenklagen!

 

Vergnügen soll mein schmollend Herz nicht wecken!
Die Zeit verschlingt mich, die Minuten jagen,
Schneeflocken gleich, die starre Körper decken,
Weit seh ich rungs den ERdball sich erstrecken,

 

Dem Schutz der Hütte will ich mich entsagen,
Lawine, willst du mich zum Abgrund tragen?

 

 

 

Die Seeräuber-Jenny



Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen
Und ich mache das Bett für jeden.
Und Sie geben mir einen Penny und ich bedanke mich schnell
Und Sie sehen meine Lumpen und dies lumpige Hotel
Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.
Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen
Und man fragt: Was ist das für ein Geschrei?
Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern
Und man sagt: Was lächelt die dabei?
Und ein Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird liegen am Kai.


Man sagt: Geh, wisch deine Gläser, mein Kind
Und man reicht mir den Penny hin.
Und der Penny wird genommen, und das Bett wird gemacht!
(Es wird keiner mehr drin schlafen in dieser Nacht.)
Und sie wissen immer noch nicht, wer ich bin.
Aber eines Abends wird ein Getös sein am Hafen
Und man fragt: Was ist das für ein Getös?
Und man wird mich stehen sehen hinterm Fenster
Und man sagt: Was lächelt die so bös?
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beschiessen die Stadt.


Meine Herren, da wird ihr Lachen aufhören
Denn die Mauern werden fallen hin
Und die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich.
Nur ein lumpiges Hotel wird verschont von dem Streich
Und man fragt: Wer wohnt Besonderer darin?
Und in dieser Nacht wird ein Geschrei um das Hotel sein
Und man fragt: Warum wird das Hotel verschont?
Und man wird mich sehen treten aus der Tür am Morgen
Und man sagt: Die hat darin gewohnt?
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beflaggen den Mast.


Und es werden kommen hundert gen Mittag an Land
Und werden in den Schatten treten
Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür
Und legen ihn in Ketten und bringen vor mir
Und fragen: Welchen sollen wir töten?
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle!
Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: Hoppla!
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird entschwinden mit mir.

 

(aus der Dreigroschenoper)



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